Montessori: Spielend lernen

Montessori: Spielend lernen
Photo by Jackie Hope / Unsplash

Endlich habe ich eine Spielgruppe gefunden, in der Hermine und ich uns beide richtig wohlfühlen. Hat nur über ein Jahr gedauert 😉. Wir gehen jetzt einmal die Woche ins Montessori-Center, wo wir 90 Minuten zusammen mit anderen Kids und Eltern gemäß dem Montessori-Konzept spielend die Welt der Erwachsenen erforschen.

Das Zentrum besteht aus einem großen Raum, in dem es diverse Montessori-Spielzeuge gibt, die alle altersgerecht sortiert und auf den Montessori typischen Holztabletts präsentiert werden. Die Kinder entscheiden selbst, womit und wie lange sie damit spielen möchten. Jedes Spielzeug hat einen Lerneffekt und ich helfe, wenn Hermine mal nicht weiter weiß.

Der Ablauf ist immer derselbe. Wenn wir ankommen, ziehen wir unsere Jacken und Schuhe aus und stellen sie auf die kleinen Schuhablagen. Die Jacke wird aufgehängt. Dann schwubs, die Puschen an und los gehts. Hermine rennt immer direkt ins Badezimmer, das vom großen Raum abgeht und in dem es süße kleine Waschbecken und Klos gibt, damit die kleinen Menschen an alles allein rankommen. Hier werden die Hände gewaschen, was Hermine sowieso liebt.

Mit sauberen Händchen geht’s ab in die Küche, in der es wieder alles in Mini-Ausgabe gibt. An dem langen niedrigen Tisch mit Holzstühlchen essen wir unseren Snack. Anschliessend darf Hermine ihr Geschirr und Besteck in dem Mini-Spülbecken selbst abwaschen, abtrocknen und dann wieder ins Küchenregal einräumen, das natürlich auch auf Augenhöhe steht. Dort stehen auch kleine Karaffen (die ich übrigens aus meiner Lieblingsweinstube kenne 😃) zur Verfügung, mit denen die Kleinen sich selbst Wasser in Gläser einschenken. Hermine will alles selbst machen und ich komm ins Schwitzen, weil ich Schiss hab, dass sie das Glas fallen lässt oder auf dem Weg zur Spüle einem anderen Kind die Gabel ins Auge sticht. Deswegen kann ich's kaum erwarten endlich loszuspielen.

Neben den Spielsachen in den Regalen sind jede Woche andere kleine Stationen aufgebaut, die die Neugierde wecken, wie zum Beispiel ein Zählspiel oder ein Laufparcours, um die Farben zu lernen. In der Mitte der Stunde wird gesungen für alle, die mitmachen wollen. Was ich beim letzten Mal besonders süß fand, war, dass wir, nachdem wir auf Tschechisch gezählt haben, auch noch zusammen auf Deutsch und auf Italienisch gezählt haben, weil auch ein italienisches Kind mit Papa da war. Die Geste fand ich echt nett.

In der letzten Stunde haben wir Eltern gelernt, wie wir den “personal space” unseres Kindes schützen. So durfte ich, wenn ein anderes Kind Hermine ihr Spielzeug wegnehmen wollte mit meinem Arm eine Schranke zwischen ihm und Hermine bilden. Genauso, hat eine andere Mutter Hermine auf Abstand gehalten, als sie zu dicht hinter ihrer Tochter auf die Rutsche geklettert ist.

Zuerst schien mir dieses Vorgehen etwas übertrieben und künstlich, aber eigentlich ist es ja auch nicht schlecht, dass Hermine so lernt, dass jeder einen persönlichen Schutzraum hat, der von anderen respektiert werden sollte. Hinterher hab ich mich allerdings gefragt, wie ich das in freier Wildbahn umsetzen kann.

Und die Gelegenheit es auszuprobieren hat sich direkt ein paar Tage später in einer anderen Spielgruppe geboten, in die wir spontan mit einer Freundin gegangen sind. Hier war es laut, voll - mit einem Wort chaotisch. Es kamen mehr Mamas mit Kleinkindern als für den kleinen Raum vorgesehen und die Spielgruppenleiterin war eher passiv, da sie lieber mit einer befreundeten Mutter gequatscht hat, als sich um die Aktivitäten der Gruppe zu kümmern.

Als die Knirpse da so herumgeturnt haben und auf eine, aus großen Kissen gebaute, Rutschbahn klettern und am anderen Ende runter rutschen konnten, wurde geschubst und gedrängelt und über einander drüber geklettert. Da zuckte es direkt in meinem Arm und innerlich rief ich den kleinen Monstern zu, sie sollen doch bitte jedermanns personal space respektieren!!! Wie wäre es mit anstellen und warten, bis ihr an der Reihe seid? 😃 Am liebsten hätte ich meinen Arm als Schranke eingesetzt, damit jedes Baby in Ruhe hochklettern und rutschen kann (Montessori-Center lässt grüßen). Aber das wäre bei den anderen Mamis sicher nicht so gut angekommen 😀. Zugegeben, diese Situation hätte mich wahrscheinlich nicht so genervt, wenn ich nicht drei Tage vorher im Montessori-Center gewesen wäre. Ausserdem hat’s Hermine weniger gestört als mich. Klar, wer stellt sich schon gern an und wartet, wenn’s auch schneller geht?! Aber sollten die kleinen Racker nicht genau das lernen, dass man Rücksicht auf andere nimmt?

Auch wenn ich nicht alles umsetzen kann, was wir im Montessori-Centrum machen, haben wir damit einen Ort gefunden, wo wir uns wohlfühlen und Spaß haben und gleichzeitig nervige Dinge über die Welt der Erwachsenen lernen, wie, dass man sich in einer Reihe anstellt oder anderen nicht zu nah auf die Pelle rückt 😉.