Montessori - was bei uns grad funktioniert und was nicht

Montessori - was bei uns grad funktioniert und was nicht

Wir versuchen ja Montessori so gut es geht in unseren Alltag zu integrieren. Manches läuft besser, manches schlechter. Außerdem ändern sich die Herangehensweisen ja auch mit dem Alter des Kindes, weswegen einiges immer wieder angepasst werden darf. Gerade scheint Hermine wieder in einer dieser Übergangsphasen zu sein, denn ich merke, dass Dinge, die bisher gut funktionierten, jetzt nicht mehr passen.

Aktuelle Themen bei uns sind die Routine, das morgendliche Anziehen, Wut und provozieren.

Was funktioniert gut und was lernen wir im Moment?

🧘🏽‍♀️ Routine

In der Montessori-Pädagogik wird viel Wert auf routinierte Abläufe gelegt, die den Kleinen Struktur und damit Sicherheit geben. Ich weiss nicht, ob es daran liegt, dass wir von Anfang an auf Routinen geachtet haben oder ob Hermine einfach der Typ dafür ist. Jedenfalls haben wir viel weniger Wein- oder Trotzanfälle, wenn unsere Tagesabläufe gleich sind. Hermine fühlt sich dann ausgeglichener und wir dadurch auch.

Das ist mir erst vor ein paar Tagen wieder aufgefallen, als ich ausnahmsweise länger im Bett geblieben bin und Jan mit ihr aufgestanden ist. Plötzlich war der morgendliche Ablauf anders - wer wann ins Bad ging, wer das Frühstück gemacht und sie angezogen hat. Hinzu kam, dass wir an dem Morgen früher als sonst aus dem Haus mussten, weswegen trödeln auch nicht drin war. Das hat Hermine aus der Bahn geworfen und mich etwas ins Schwitzen gebracht, weil wir den Bus kriegen mussten (wir haben ihn verpasst).

Das war mit ein Grund, weshalb ich letzte Woche jeden Tag wieder um 5:45 Uhr aufgestanden bin. So hatte ich Zeit für eine Runde joggen und mich in Ruhe fertig machen, und Hermine hatte ihren "normalen" Ablauf, weil ich ja schon wach war, als sie aufgestanden ist. Zwei Fliegen mit einer Klappe!

Ausserdem versuche ich den Tag so zu strukturieren, dass wir morgens rausgehen und etwas unternehmen. Zum Mittagessen sind wir dann wieder zuhause. Hinterher macht sie ihr Schläfchen und nachmittags ist dann Spielen und Haushalt angesagt. Natürlich läuft das nicht immer so ab, aber ich versuche diese Tagesstruktur einzuhalten.

Für die Abendroutine habe ich so eine kleine Tafel gemacht mit den einzelnen Schritten: Abendessen, Zähne putzen, eincremen, Windel wechseln, Pyjama an, lesen, schlafen. Nach jedem beendeten Schritt kann Hermine den kleinen Streifen hochklappen. Mittlerweile brauchen wir die Tafel nicht mehr, weil sie die Routine so verinnerlicht hat, aber vor ein paar Monaten hat sie uns geholfen und Hermine hat sie geliebt.

👗 Anziehen

Als Baby haben wir Hermine natürlich angezogen, was wir wollten. Als sie so ca. 11 Monate alt war, fingen wir an, ihr immer zwei Optionen zur Auswahl zu geben. Den grünen oder den roten Body? Die gelbe oder die blaue Leggings? Und sie hat schön ausgewählt.

Damit gibt sie sich seit Neustem aber nicht mehr zufrieden. Sie will keine zwei Optionen, sondern die ganze Bandbreite. Das führte dazu, dass wir uns schon am frühen Morgen gestritten haben, weil sie nicht zufrieden mit meinen Vorschlägen war. Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich das verstanden hatte. Seitdem zieht sie das an, was sie aus dem Schrank zieht. So trug sie letzte Woche, als es so heiß war, eine Winterhose und einen Pulli. An einem anderen Tag ging sie nur in Body und Sandalen auf die Straße. Trotzdem hab ich sie gelassen, weil ich denke, es stärkt ihre Selbstwirksamkeit. Ich habe dann einfach ein wetterentsprechendes Ersatzoutfit in den Rucksack gepackt und sie bei passender Gelegenheit umgezogen. So funktioniert das für uns bis jetzt ganz gut. Problematisch wird's beim Sonnenhut, den sie in 50% der Fällen nicht aufsetzen will. Da gebe ich ihr die Option Sonnenhut oder wir machen die Kappe vom Kinderwagen hoch.

😘 Provozieren

In der Montessori-Pädagogik sieht man von Strafen ab, weil sie eh nichts bringen. Kurzfristig spurt das Kind vielleicht, weil es Angst vor der Strafe hat. Es wird also Druck von aussen ausgeübt. Im schlimmsten Fall schaden Strafen und Erpressungen das Vertrauen des Kindes in seine Eltern.*

Bis jetzt haben wir es tatsächlich geschafft, ohne Strafen auszukommen. Da Hermine erst zwei ist, war das bestimmt keine große Leistung und Mamas von älteren Kindern werden jetzt sagen: "Ha, wartet nur ab!"

In letzter Zeit merke ich tatsächlich, dass Hermine anfängt zu provozieren bzw. Sachen zu tun, von denen sie weiß, das wir das nicht möchten. Zum Beispiel die Möbel mit ihren Buntstiften anmalen. Als ich sie dabei erwischt habe, hat sie mich provoziert und einfach weiter gemacht. Alle Erklärungen, weshalb mir das nicht gefällt, halfen nichts. Ich habe sie gefragt, wie wir das Problem lösen und sie hat tatsächlich von sich aus gesagt, dass sie den Stuhl wieder sauber machen muss. Wow, dachte ich, das war ja einfach! Mit einem Schwamm ausgerüstet hat sie die Farbe abgewischt. Leider hat ihr das Saubermachen so viel Spass gemacht, dass sie fünf Minuten später die Wand bekritzelte, um dann nach dem Schwamm fragen zu können 🤯. Also, dieser Ansatz ging nach hinten los.

Stattdessen habe ich einfach ein bisschen mit ihr gespielt und prompt waren die Stifte vergessen. Ich glaube, was ihr in diesem Moment gefehlt hat, war schlicht Aufmerksamkeit! Mein gutes Zureden und Erklären half nicht, weil sie eigentlich weiß, dass wir nicht auf Möbeln malen. Sie wollte nur, dass ich mich zu ihr setze.

😤 Wut

Wut ist vielleicht ein zu starkes Wort. Hermine war kürzlich so sauer, dass sie ihren Frust an unserer Katze Coco ausgelassen hat. Das ist natürlich ein No-Go. Leider stießen mein Ermahnen, dass sie Coco weh tue, und meine Versuche sie davon abzuhalten, auf taube Ohren. Ich hab mich dann an einen Tipp aus meinem Montessori-Buch erinnert, bei dem es um solche Gefühlsausbrüche geht. Anstatt sie zu ermahnen, habe ich versucht, ihre Gefühle zu übersetzen. Etwa so "Du bist grad richtig sauer, weil du dein Spielzeug nicht finden kannst und jetzt nur das andere zum Spielen hast. Deswegen ziehst du Coco am Schwanz. Nicht weil du ihr weh tun willst." Und das hat tatsächlich funktioniert! Ich war selbst überrascht, aber sie hat augenblicklich aufgehört zu weinen und war wieder zugänglicher. Das muss natürlich nicht immer klappen, aber wenn es schon in 50% der Fälle wirkt, bin ich froh.

Unsere Generation ist damit aufgewachsen bestraft zu werden, sei es mit Fernsehverbot, der berühmten "Geh-auf-dein-Zimmer"-Strafe oder sonstigem. Daher geh ich davon aus, dass dieser Aspekt - nicht strafen zu wollen - eine Herausforderung für uns wird, da diese Methode so tief in uns steckt. Gerade wenn's stressig wird verfallen wir ja gern in alte Muster. Dieser neue Ansatz erfordert stattdessen Kreativität, Einfühlungsvermögen und vieeel Geduld. Trotzdem: Challenge accepted! 😎 (Ich werde in ein paar Jahren berichten wie's lief).

Soweit zu unseren derzeitigen Lernprozessen, was Montessori angeht. Es bleibt spannend 🙂.

💜

*Aus The Montessori Toddler, Simone Davies, S. 109