Ist weniger mehr?

Ist weniger mehr?

Gestern bekam ich eine Nachricht von einer Freundin "Und wie gefällt es euch in dem Dorf?"

Wir sind für einen Monat aufs Land gezogen, weil wir in unserer Stadtwohnung renovieren. Von den vier Wochen ist erst eine rum. Die Frage wie es uns hier gefällt ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil es natürlich wie bei fast allem Vor- und Nachtteile, positive und negative Seiten gibt.

Der größte Unterschied zu unserem Stadtleben ist, dass es hier nichts gibt, außer Hühnern, Hunden, Feldern, einem Spielplatz und einem Tante-Emma-Laden. Für Stadtmamas, wie ich es bin, ist das schon eine krasse Umstellung. Sozusagen von 100 auf 0 😄. In den ersten Tagen, hab ich mich gefragt, ob die Häuser um uns herum vielleicht leer stehen, weil ich keine Menschenseele auf der Straße gesehen habe. Und abends, wenn ich im Bett liege, höre ich in der Ferne, aber doch nicht so weit entfernt, als dass ich mich in Sicherheit wiegen könnte, Tiergeräusche, die ich einfach nicht zu ordnen kann. Ein Esel? Eine Kuh? Bitte lass es kein Wolf sein!

Hermine hingegen, liebt dieses große Haus, das wir für den Monat gemietet haben, und den Garten. Eine Schaukel, Rutsche und ein kleines Holzhäuschen sind alles, was sie braucht, um glücklich zu sein. Etwas, womit sie sich noch nicht angefreundet hat, sind die vielen unterschiedlichen Insektenarten, die Haus und Garten mit uns teilen. Seit wir kürzlich einen riesigen Käfer in der Pflanze im Badezimmer gefunden haben, erklärt sie mir mindestens einmal am Tag, dass dort in der Pflanze Käfer wohnen. Ist ihr suspekt. Auch die Insekten, die draußen rumfliegen, versucht sie - im wahrsten Sinne des Wortes - zu umgehen, so gut sie kann.

Seit mich die Nachricht meiner Freundin erreicht hat, frage ich mich, ist weniger vielleicht mehr? Und damit meine ich das Entertainment, das wir unseren Kindern in der Stadt bieten. Was wäre, wenn wir ihnen weniger anbieten würden? In Brünn gehen wir zum Musikkurs, ins Montessori-Zentrum und zur Spielgruppe. Zwischendurch plane ich Playdates ein, gehe mit Hermine ins Theater oder zu anderen Veranstaltungen für Kinder.

Dies alles fällt jetzt, wo wir auf dem Lande wohnen, weg (außer wir fahren die 40 Minuten hin und zurück in die Stadt). Aber ist das so schlimm? Was passiert, wenn wir das Entertainment-Programm einfach sein lassen?

In unserem temporären Zuhause, kann Hermine wann sie möchte in den Garten gehen. Ok, ich muss mit, aber die Landluft tut auch mir gut 😉. Und anstatt dass wir Montessori-Material wie im Montessori-Zentrum zur Verfügung gestellt bekommen, denkt sie sich jetzt selbst Spiele aus mit den Spielzeugen, die es hier im Haus en masse gibt. Seit neustem kümmert sie sich um eine (Stoff-)Häschenfamilie, die sie ordentlich auf Trapp hält. Im Haus gibt es sogar ein Trampolin, auf dem sie täglich hopst.

Unsere Tage sind ruhiger, weil wir zu keiner bestimmten Uhrzeit irgendwo sein müssen. Sie sind sogar wirklich ruhiger, weil hier weder Straßenbahnen fahren noch im regelmäßigen Abstand Krankenwagen- oder Polizeisirenen aufheulen. Am Wochenende haben uns Freunde besucht, die uns die Farm ihrer Verwandten gezeigt haben, auf der es Schafe und Lämmchen gibt, die wir streicheln konnten.

Während wir in der Stadt eigentlich täglich unterwegs sind, sei es um in den Park zu gehen, zu Hermines Kursen, zu Playdates, Veranstaltungen oder anderen Terminen, bewegen wir uns hier in einem viel kleineren Radius. Wir sind im Haus oder im Garten. Mal auf dem Spielplatz. Was ich gemerkt habe, weniger Entertainment-Angebote zu haben, schafft mehr Freiraum für freies Spiel und um gemeinsam Zeit in Ruhe zu verbringen. Nachmittags Bücher lesen, Gänseblümchen pflücken, Bälle die Auffahrt runter rollen lassen, mit dem Laufrad eben schnell ins Wäldchen hinterm Haus fahren. Das sind jetzt Dinge, mit denen wir unsere Zeit füllen. Die Nähe zur Natur, das Draußensein, selbst kreativ werden und sich Spiele ausdenken ist für Hermine schon was Feines.

Das sind so meine neuen Gedanken, nach einer Woche Landleben. 😇 Ich bin und bleibe, glaube ich, immer ein Stadtmensch, aber ohne dieses kleine Dorfleben-Abenteuer, hätte ich diesen Aspekt der Entschleunigung in Bezug aufs Leben mit Kind wahrscheinlich nicht gesehen.

Wie seht ihr das? Lebt ihr lieber in der Stadt oder auf dem Land? Lasst mir gerne einen Kommentar da 🙂

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